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Nein, liebe “Profis”: Werbung muss nicht lügen, PR auch nicht

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Don Draper, a character from the TV series "Mad Men"; (C) 2008 by AMC

Don Draper, a character from the TV series "Mad Men"; (C) 2008 by AMC

Don Draper lebt! Eine große Zahl von Werbern, PRlern und Unternehmen glaubt immer noch, dass sie ihre (potentiellen) Kunden belügen müssen.

Für alle die, die Don Draper nicht kennen: Das ist der Protagonist einer außerordentlich guten US-Fernsehserie namens “Mad Men”. Sie spielt in einer New Yorker Werbeagentur Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre. Und man kann hier unter anderem eine Menge über das Selbstbild der Werber dieser Epoche lernen. Dazu gehört eine Grundhaltung, die sich mit “Die Leute müssen/wollen belogen werden.” umschreiben lässt. Selbst, wenn moderne Werber eine solche Haltung sicherlich weit von sich weisen (zumindest nüchtern und außerhalb des engeren Kollegenkreises) lebt sie bis heute tief im Herzen mancher Menschen dieser Branche. Wie anders kann man den Umgang vieler Unternehmen mit der neueste Mode im Kommunikationsmarkt “Social Media” erklären?

Der Kollege (und Mitglied der Zunft) hat ein schönes Beispiel dazu in der neuen Social-Media-Kampagne von Cortal Consors gefunden: Auf einer besonderen Facebook-App namens “Mein Statement” können “Fans” ein Video hochladen, in dem sie sich zum Thema Banking äußern und dadurch bei einem Preisausschreiben mitmachen. Wer sich die schon hochgeladenen Statements ansieht, dem wird rasch auffallen, dass viele mit bemüht witzigen Sprüchen auffallen:

Bei Geld vertraue ich lieber auf korrekte Analysen als auf korrekte Krawatten.

Ich will rechtzeitig selbst agieren. Und nicht informiert werden, wenn es zu spät ist.

Ich will das Wissen meiner Bank nutzen. Und nicht wissen, was meiner Bank nutzt.

Dass das keine authentischen Kundenstatements sind, dürfte klar sein. :) Die entsprechenden Statements sind leicht zu finden. Es sind die mit den handwerklich besonders gut gemachten Standbild-Vignetten auf der Startseite der Facebook-App. Sie werden aber genau so präsentiert wie die tatsächlichen Kundenstatements.

Authentisch ist anders! Das hier ist klassische, anbiedernde Werbung – auch wenn man sich dafür des hippen Vehikels “Social Media” bedient – ganz “authentisch”, wir machen jetzt auch ne Facebook-Kampagne, Dialog und so …

Das mit der Authentizität ist grundsätzlich “so ne Sache”, sobald Unternehmen beginnen, Werber oder PRler für solche Aktionen einzuspannen (nichts gegen diese Zunften, ich gehöre da peripher selbst dazu). Authentizität kann nur aus dem Unternehmen selbst kommen. Externe Dienstleister können da primär beraten. Sobald sie agieren, tscha … da kommen oft Sachen raus, die im Kern klassische Werbung oder PR sind und Authentizität mit Coolness und Anbiederung an die Zielgruppe verwechseln (wie sind nicht wie die Anderen, wir verstehen Dich/sind wie Du). Das kann man auch sehr schön bei der atuellen Einführungskampagne der Ergo sehen.

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein potentieller Kunde mit einem IQ oberhalb von sagen wir mal 90 darauf hereinfällt, und nach der Wahrnehmung einer solchen Kampagne dem entsprechenden Unternehmen glaubt, dass es tatsächlich “anders” und die Kommunikation “authentisch” ist. Ich empfehle den Verantwortlichen dazu immer noch gerne das Studium des guten alten Cluetrain Manifesto. Dessen Tenor lautet “wir sind nicht doof und merken, wenn ihr uns belügt … und dann sagen wir es auch unseren Freunden und Bekannten über das Internet”. Das mag bei “Kommunikationsexperten” auf zynischen Unglauben stossen. Aber es stimmt trotzdem! :)

Selbstverständlich “wirkt” auch klassische Werbung immer noch. Wer etwas anderes glaubt, gibt sich Illusionen hin. Die Mediamarkt-Kampagne ist ein gutes Beispiel dafür. Wenn man den Leiten zwanzig Jahr lang erzählt “wir sind die Billigsten” glauben das Viele unabhängig von den Fakten. Aber es wird schwieriger, die Leute zu belügen. Und der Tonfall (auch ein Aspekt im Cluetrain Manifesto) spielt dabei eine wichtige Rolle. Im Cluetrain Manifesto wurde noch der Tonfall des pompösen Corporate Speak kritisiert. Ich glaube, wenn man das Manifesto heute schreiben würde, müsste man anbiedernde Pseudo-Authentizität der Form “Ey Alder, kauf bei uns. Wir sind wie Du” mit einschließen. Wenn ein Finanzkonzern mir erzählen will, dass er mein Kumpel ist, muss ich nur lachen – ganz unabhängig von getürkten Statements.

p.s.: Ich bin Kunde von Cortal Consors und mit denen im Großen und Ganzen gut zufrieden. Ich halte es nur für völlig überflüssig, wenn ein Unternehmen sich auf diese Art bei seinen Kunden anschleimt und diese Werbung sogar als Kundenstatements vortäuscht. Zu Don Drapers Zeiten war das eventuell OK. In 2010 ist es vorwiegend peinlich.


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